Alles wie immer

Ostern in Würzburg

Eines Tages, wenn es am Autobahnkreuz Biebelried zu keinen ernsthaften Behinderungen kommt und ein ICE in Richtung München den Bahnhof verlässt, wenn auf dem Kaiserplatz die Magnolien blühen und in Klein-Nizza die Beos zwitschern, wenn sich auf der Talavera das Riesenrad dreht und die "Alte Liebe" den Kulturspeicher passiert, wenn in der Mainaustraße die Sitzung der Industrie- und Handelskammer beginnt, wenn die Kleinen im Kindergarten vom bunten Regenbogen singen und die blonde Verkäuferin bei S. Oliver ihre T-Shirts sortiert, wenn die Glocken vom Käppele läuten und japanische Touristen das Treppenhaus der Residenz hinaufschreiten, wenn Angelo eine Pizza Quattro Stagione ausfährt und Mustafa einen Döner mit viel Zwiebeln serviert, wenn auf dem Schützenhof ein Beerenwein bestellt wird und im Brückenbäck eine Latte Macchiato umfällt,

eines Tages, wenn alles ganz wie immer ist, werde ich mich noch einmal aufbäumen - und sterben.

Kann das sein, Herr, dass du mich hoffen lässt auf dich, auf ein Leben bei dir nach dem Tod - und du lässt diese Hoffnung ins Leere gehn? Kann das sein, dass du deine Hände nicht rührst, obwohl ich mein Vertrauen auf dich gesetzt und mein Leben in deine Hände gelegt habe? Kann das sein, dass du nicht an mich denkst, obwohl ich deinen Namen angerufen habe und nach deinen Weisungen gelebt habe, obwohl mir deine Liebe wichtiger war als mein eigenes Leben?

Kann das sein, Herr, dass du du mich schweigend vergehen lässt, als würde ich dir nichts bedeuten, obwohl du mich doch ins Dasein gerufen und mich ein Leben lang begleitet hast?

"Wenn ich gestorben bin und verloren, wird man mich senken in deine Erde. Wenn ich verloren bin und verlassen, wirst du mich halten in deinen Händen. Wenn ich verlassen bin und vergessen, wirst du mich nennen bei meinem Namen. Wenn ich vergessen bin und vergangen, wirst du mich bergen in deiner Treue" (Lothar Zenetti).