Von der Kraft des Wortes

Der Papst als Politiker

"Wieviele Divisionen hat der Papst?". Diese rhetorische Frage soll Josef W. Stalin auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 gestellt haben, nachdem Winston Churchill und Franklin D. Roosevelt eine Beteiligung des Bischofs von Rom an der politischen Neuordnung Europas nach dem 2. Weltkrieg vorgeschlagen hatten. Der sowjetische Diktator wollte mit dieser Frage die Ohnmacht des Papstes dokumentieren und konnte zugleich dessen Einladung zur Konferenz von Potsdam im Juli 1945 verhindern. Mehr als 50 Jahre später kam der letzte Präsident der Sowjetunion zu einer völlig anderen Bewertung der päpstlichen Macht: "Ohne Johannes Paul II. wäre die Wende in Osteuropa nicht möglich gewesen", bekannte Michael Gorbatschow in einem Interview.

Der Papst verfügt zwar nicht über Panzer und Raketen, aber er beeinflusst bis heute das Weltgeschehen - durch seine zahlreichen Reisen und sein Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. So hat sich Johannes Paul II. vor kurzem aktiv in die Bemühungen um eine friedliche Beilegung des Irak-Konflikts eingeschaltet. Er empfängt Politiker aus aller Welt im Vatikan - darunter den britischen Premier Tony Blair und den irakischen Vizepremier Tarek Aziz, er schickt jeweils einen Kardinal nach Washington und nach Bagdad und entzieht dem Krieg, den er als "Niederlage der Menschlichkeit" bezeichnet, a priori die theologische Legitimation. Ganz im Sinne des Papstes handelt auch die römische Gemeinschaft Sant'Egidio, durch deren Vermittlung ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg in Mozambique beendet werden konnte.

Als Protestant bin ich weit davon entfernt, vor dem Bischof von Rom einen Kniefall zu machen. Aber ich bewundere die Unbeugsamkeit, mit der sich dieser gebeugte Mann für den Frieden einsetzt. Der Papst braucht keine Divisionen. Was zählt, ist die Kraft seines Wortes.


 

 

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