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Nachgedacht Haus Abendfrieden"Abendfrieden", so heißt ein Roman der aus Würzburg stammenden Pfarrfrau Annette Döbrich. Es versteht sich von selbst, dass damit nicht das gleichnamige Altenheim in der Ottostraße gemeint ist. Denn das literarische Haus Abendfrieden entpuppt sich im Verlauf der Handlung immer mehr als Hort des Verbrechens. "Irgend etwas stimmt nicht im Haus Abendfrieden", hat der Heimbewohner Georg Meister an seinen Freund Max Reichert geschrieben. Bald darauf stirbt er eines völlig unerwarteten Todes. Seine junge Geliebte ist fassungslos. Denn Georg Meister war trotz seines fortgeschrittenen Alters völlig gesund. Da fasst Max Reichert, ein pensionierter Pfarrer mit kriminalistischem Spürsinn, einen Entschluss: Er quartiert sich für vier Wochen im Haus Abendfrieden ein, um den Fall aufzuklären. Dabei bemerkt er zunächst nichts Verdächtiges. Doch eines Nachts macht der Pfarrer im Keller eine schreckliche Entdeckung ... Was den Reiz dieses Romans ausmacht, ist nicht nur das erzählerische Talent von Annette Döbrich, sondern auch der morbide Charme, der von dem Namen "Abendfrieden" ausgeht. Dieser Name stammt aus einer Zeit, in der das Kino noch Lichtspieltheater und der Supermarkt noch Kolonialwarenhandlung hieß. Das Heim in der Ottostraße heißt bis zum heutigen Tag "Haus Abendfrieden". Ich habe mich oft gefragt: Warum haben die Hausbegründer seinerzeit diesen Namen gewählt? Sie wollten offenbar sagen, dass ein alter Mensch in Frieden leben kann, wenn er mit sich selbst, mit der Welt und mit Gott versöhnt ist. Diesem Leitgedanken entspricht die liebevolle Betreuung der Senioren durch die Schwestern aus Gunzenhausen. Sie sorgen nicht nur für das leibliche Wohl der Bewohner, sondern kümmern sich auch um ihr seelisches Befinden. Mit Rücksicht auf das benachbarte Blaue Kreuz verzichten die Schwestern allerdings völlig auf den Ausschank von alkoholischen Getränken. Damit bildet das Haus Abendfrieden den evangelischen Gegenentwurf zu den katholisch geprägten Spitälern, bei denen das Altenheim selbstverständlicher Teil eines Weingutes ist. Ich war als Pfarrer von St. Stephan mehrere Jahre für das Haus Abendfrieden zuständig. Die Schwestern, aber auch die Senioren sind mir in dieser Zeit sehr ans Herz gewachsen. Noch heute bekomme ich manchmal Post aus dem Haus Abendfrieden. Eine Bewohnerin, weit über 80, schreibt mir neulich: "Es will nun Abend werden ... Als Kind habe ich immer den Himmel beobachtet, den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang. Und ich habe oft die Hände gefaltet zum Gebet".
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