Drei Streichhölzer
Hoffnung auf Frieden
"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern". So heißt ein tragisches
Märchen von Hans Christian Andersen (1805-1875). Der dänische Dichter hat
dieses Märchen im Jahr 1845 während eines neuntägigen Aufenthaltes auf
Schloss Gravenstein an der Flensburger Förde geschrieben.
Ein kleines Mädchen sitzt am Silvesterabend auf der Straße. Es ist dunkel
und kalt. Das Kind hat keine Schuhe. Es ist nur dürftig gekleidet, hat die
Beine angezogen und hält in der rechten Hand eine Schachtel mit
Streichhölzern. Doch keiner will die Hölzer kaufen am letzten Abend des
Jahres. Darum hat das Mädchen noch keinen Heller eingenommen. Und weil es
keine Einnahmen hat, traut es sich nicht, nach Hause zu gehen – aus Angst
vor den Schlägen des Vaters. Die Mutter lebt schon lange nicht mehr. Und
auch die geliebte Oma ist in diesem Jahr gestorben.
Da fängt es an zu schneien. Das Mädchen friert erbärmlich. Um sich ein
wenig zu wärmen, tut das Kind etwas, was der strenge Vater eigentlich
verboten hat: Es zündet ein Streichholz nach dem anderen an und sieht in der
ersten Flamme einen warmen Kachelofen, in der zweiten einen festlich
gedeckten Tisch und in der dritten einen Weihnachtsbaum mit tausend
Lichtern. So entfacht das Mädchen ein wahres Feuerwerk, bis es im Licht des
letzten Streichholzes die geliebte Oma erkennt, die das sterbende Kind mit
offenen Armen aufnimmt.
Wenn ich Hans Christian Andersen richtig verstanden habe, wollte er mit
diesem Märchen nicht nur ein besonders trauriges Einzelschicksal darstellen,
sondern zugleich eine allgemeine Deutung der menschlichen Existenz zu Papier
bringen.
Jeder Mensch hat - bildlich gesprochen - eine Schachtel mit
Streichhölzern, ein Sortiment an Hoffnungen, Träumen und Visionen. Manche
davon zerplatzen schon am Silvesterabend wie Raketen. Doch andere bleiben
erhalten und sorgen auch im neuen Jahr für Wärme, Licht und Kraft.
Am Anfang des Jahres 2009 zünde ich drei Streichhölzer an: Das erste für
Mahmud Abbas, den palästinensischen Präsidenten. Das zweite für Tzipi Livni,
die israelische Außenministerin. Und das dritte für Barack Obama, den neuen
US-Präsidenten. Ich wünsche diesen drei Politikern, dass sie den Weg, den
sie eingeschlagen haben, mutig und unbeirrbar weitergehen und so zum Frieden
im Nahen Osten und in der ganzen Welt beitragen.
 
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