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Felix holt SenfLiebe und Schmerz Weihnachten. Das ist Kerzenschein und Tannenduft. Pulverschnee und Puderzucker. Lebkuchen und Glühwein. Kokosmakronen, Vanillekipferl, Zimtsterne und natürlich Senf. Was wäre Weihnachten ohne Senf? Denn Senf gehört zu jedem Würstchen. Und Würstchen gehören zum Heiligen Abend. Denn der Heilige Abend ist nicht der erste Tag der Weihnachtszeit sondern der letzte Tag der Adventszeit. Und die Adventszeit ist in der kirchlichen Tradition eine Fastenzeit. Darum gibt es die Weihnachtsgans und die Kartoffelklöße erst am 25. Dezember. Am 24. Dezember dagegen gibt es Würstchen mit Kartoffelsalat. Und dazu braucht man Senf. Weihnachten. Das ist Freude über die Geburt eines Kindes. Friede auf Erden, den Menschen ein Wohlgefallen. "Stille Nacht" und "O du fröhliche". Geschenke, Umarmungen und Küsse. Weihnachten. Das ist Liebe und Schmerz. Der Schmerz über die, die keinen Partner gefunden haben, obwohl sie sich sehnlichst einen gewünscht haben. Der Schmerz über die Paare, die ungewollt kinderlos geblieben sind. Der Schmerz über alle zerrütteten Ehen und alle zerstrittenen Familien. Von diesem Schmerz erzählt Erich Kästner (1899-1974) in seiner Weihnachtsgeschichte "Felix holt Senf". Eine dreiköpfige Familie will am Heiligen Abend Würstchen mit Kartoffelsalat essen und stellt plötzlich fest, dass das Senfglas leer ist. Die Mutter drückt dem Sohn das leere Glas in die Hand und sagt: "Felix, hol Senf!". Weil der Junge diesen Auftrag nicht sofort ausführt, erhält er vom Vater Schläge. Gedemütigt und verängstigt verlässt Felix die elterliche Wohnung. Kurz vor Ladenschluss kauft er noch den gewünschten Senf. Doch das volle Glas entgleitet ihm auf dem Heimweg und zerbricht auf dem Pflaster. Aus Angst vor weiteren Schlägen kehrt Felix nicht nach Hause zurück. Die Eltern lassen ihn verzweifelt suchen. Doch der Junge bleibt verschwunden. Voller Trauer essen die Eltern jedes Jahr am Heiligen Abend Würstchen mit Kartoffelsalat. Jedoch immer ohne Senf. Einige Jahre später steht der inzwischen erwachsene Sohn am Heiligen Abend vor der Tür und streckt dem Vater ein gefülltes Senfglas entgegen. Der Vater schließt ihn in die Arme, lächelt unter Tränen und sagt: "Junge, das hat aber lange gedauert!".
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