Aber der Himmel blieb

Vom Akt und Grund des Glaubens

Ein Vogel lag auf dem Rücken und hielt beide Beine starr gegen den Himmel gestreckt. Ein anderer Vogel kam vorüber und fragte verwundert: "Warum liegst du so da? Und warum hältst du die Beine so starr?". Da antwortete der erste Vogel: "Ich trage den Himmel mit meinen Füßen. Wenn ich losließe und die Beine anzöge, würde der Himmel auf mich herabstürzen".

Kaum hatte er das gesagt, da löste sich ein Blatt vom benachbarten Baum und fiel leise raschelnd zur Erde. Darüber erschrak der erste Vogel so sehr, dass er sich geschwind aufrichtete und spornstreichs davonflog. Aber der Himmel blieb an seinem Ort.

Diese Geschichte hat mich nachdenklich gemacht. Nicht meine Füße sind es, die den Himmel tragen, sondern der Himmel trägt mich. Darum haben die Kirchenväter unterschieden zwischen dem Akt des Glaubens, der "fides qua creditur", und dem Grund des Glaubens, der "fides quae creditur".

Die "fides qua" bedeutet: Ich glaube an Gott. Ich glaube, dass er es gut mit mir meint und dass er in meinem Leben alles zum Besten wenden wird. Aber dieser Glaube ist mancherlei Ängsten und Zweifeln ausgesetzt. Schon ein Blatt, das vom Baum fällt, kann mein Leben erschüttern. Eine schwere Krankheit, eine nicht bestandene Prüfung oder eine gescheiterte Beziehung können meinen Glauben in Frage stellen. Darum brauche ich die "fides quae", den Himmel der mich trägt, wenn alles ins Wanken kommt. Nicht der Akt des Glaubens, sondern der Grund des Glaubens ist unumstößlich.

Daran werde ich denken, wenn ich heute beim Mozartfest die Treppe zum Kaisersaal der Residenz hinaufschreite und Tiepolos blauer Himmel über mir aufgeht. Ich werde an den 16. März 1945 denken, als ganz Würzburg in Schutt und Asche versank. Aber der Himmel blieb an seinem Ort.


 

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