Mama, warum weinst Du?

Auf dem Weg ins Heim

Du hast recht, Mama, ich habe immer gesagt, dass ich Dich nie in ein Altersheim geben würde. Aber das ist ja auch gar kein Altersheim, sondern ein total gepflegtes Seniorenstift.

Schau mal, wie sauber hier alles ist: Kein Stäubchen liegt auf dem Boden! So ordentlich war es in Deiner Wohnung zuletzt nicht mehr. Du hast Dich also nur verbessert.

Hier sind viele liebe Menschen, die Tag und Nacht auf Dich aufpassen. Schau mal, das ist die Schwester Rosi. Sie achtet darauf, dass Du immer genug trinkst. Und das ist der Pfleger Franzl. Der bringt Dir um halb fünf Dein Abendessen.

Hier ist jeden Tag was anderes los: Basteln, Häkeln, Singen, Tanzen. Der Friseur kommt einmal die Woche. Und am Sonntag liest Pater Josef seine Messe.

Deine Möbel kannst Du leider nicht mitnehmen. Nur einen Koffer und paar Bilder. Mehr hat Deine Mutter auch nicht gehabt, als sie damals mit Dir an der Hand aus Schlesien kam.

Nein, Einzelzimmer gibt es hier nicht. Jedes Zimmer hat zwei Betten. Aber keine Sorge: Die Dame neben Dir spricht schon seit Jahren kein Wort mehr.

Schau doch mal aus dem Fenster: Ist das nicht ein schöner Garten? Und diese himmlische Ruhe! Hier sind keine Kinder, die Dich stören. Es ist überhaupt kein Mucks zu hören. Höchstens wenn mal einer durchdreht.

Selbstverständlich werde ich Dich jeden Sonntag besuchen. Nur nächsten Sonntag nicht. Du weißt doch, dass ich mit den Kindern auf Kiliani gehe. Nein, da kannst Du nicht mitkommen. Das ist viel zu anstrengend für Dich.

Mama, ich muss jetzt leider gehen. Du weißt doch, wie ich beruflich eingespannt bin. Mach es mir bitte nicht so schwer! Ich tue doch alles, um es Dir schön zu machen. Du solltest Dich freuen und dankbar sein. Mama, warum weinst Du eigentlich?


 

 

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