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Leben ohne MaskenEin Besuch beim Greif Mitten in Würzburg, in einer schmalen Seitenstraße des Dominikanerplatzes, durch die sich alle paar Minuten ein Bus zwängt, da befindet er sich: der Greif. Als ich das Fachgeschäft für Faschingskostüme betrete, öffnet sich mir eine faszinierende Welt aus Kleidern, Masken und Perücken. Hier tummeln sich der Tiger und der Bär, Lady Sunshine und Mister Moonlight, die Mainzelmännchen und die Teletubbies. Auch wenn Würzburg nicht gerade die Hochburg des fränkischen Frohsinns ist, kann sich der Greif über mangelnden Zulauf nicht beklagen. Das erste, was mir ins Auge fällt, ist eine Maske mit dem Gesicht von Gerhard Schröder. Ich setze sie auf, schaue in den Spiegel, öffne mein Jackett und sage in einem sonoren Ton: "Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik. Das isso". Noch vielseitiger ist allerdings die Figur des Außenministers. Das Gesicht von Joschka Fischer gibt es in verschiedenen Formen von rund bis schmal. Es lässt sich wechselweise mit Jeansjacke und Schlagstock oder mit Nadelstreifen und Handy kombinieren. Schade, denke ich mir, dass die Gesellschaft keinen Rollentausch zulässt, dass sie einen Menschen für immer auf die Rolle festlegt, die er früher einmal gespielt hat. Da steige ich lieber aus der Gesellschaft aus und greife nach den Klamotten eines Punkers. Die Lederkombi mit den Springerstiefeln passt hervorragend zu den Fahrradketten und der Irokesenfrisur. Jetzt brauche ich nur noch einen zotteligen Hund, dann kann ich mich vor den Bahnhof setzen und jedem Passanten die gleiche Frage stellen: "Hasse mal ne Mark für mich?". Leider muss ich mich in ein paar Monaten umstellen. Dann lautet die Frage: "Hasse mal nen Euro für mich?". Aber daran werde ich mich wohl nie gewöhnen. Als ich das Kostümgeschäft verlasse, habe ich gar keine Lust mehr, mich zu verkleiden. Ich möchte nur noch der sein, der ich bin. Ich träume von einem Leben ohne Masken, so wie es schon der Beter des folgenden Psalms getan hat: "Herr, du erforschest mich und kennest mich. Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es. Du verstehst meine Gedanken von ferne. Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir".
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