Paul Potts singt "Nessun dorma"

Ein Name für den Unbekannten

"Nessun dorma", "Keiner schlafe!". So heißt die bekannteste Arie aus der Oper "Turandot" (1926) des italienischen Komponisten Giacomo Puccini. Der Inhalt: Die chinesische Prinzessin Turandot wird von einem fremden Prinzen umworben, dessen Namen sie nicht kennt. Darum ordnet sie an, dass alle Bürger der Stadt Peking nicht mehr schlafen dürfen, bis sie den Namen dieses Prinzen herausgefunden haben.

"Nessun dorma". Mit diesem Titel trat der bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannte Brite Paul Potts am 9. Juni 2007 bei der englischen Casting-Show "Britain's Got Talent" auf. Dieser Auftritt fand im Juli 2008 auch in Deutschland durch einen Werbespot der Telekom weite Verbreitung.

Ein kleiner übergewichtiger Mann steht allein auf einer großen Bühne und zeigt mit seinem hilflosen Lächeln eine wenig attraktive Zahnlücke. Die aus drei Personen bestehende Jury betrachtet ihn mit einer Mischung aus Skepsis und Mitleid.

Dann fragt die Frau der Mitte: "Was möchtest Du heute für uns singen?". Paul antwortet: "Ich möchte etwas aus einer Oper vortragen". Der Mann links wirkt peinlich berührt und dreht sich zur Seite. Und der Mann rechts sagt: "Dann leg mal los!". Und dann singt Paul mit spürbarer Leidenschaft Puccinis Arie "Nessun dorma". Er braucht nur wenige Sekunden, um das bis dahin schweigende Publikum zu wahren Beifallsstürmen hinzureißen. Nicht wenige Menschen haben Tränen in den Augen.

Was in dieser Situation besonders auffällt, sind die fassungslosen Gesichter der Jurymitglieder, die Pauls Wirkung auf das nur Popmusik gewöhnte Publikum offensichtlich falsch eingeschätzt hatten.

Inzwischen hat Paul Potts die Casting-Show gewonnen, er hat mit dem Preisgeld seine Zahnlücke schließen lassen und ist von der Queen im Buckingham Palace empfangen worden. Er hat der staunenden Öffentlichkeit erzählt von seinem abgebrochenen Gesangsstudium, von seinem Job als Handyverkäufer, von seiner schweren Krankheit und der Liebe seiner Frau Julie Ann, die ihm in schweren Zeiten Kraft gegeben habe.

Für mich ist die Blitzkarriere von Paul Potts der Spiegel einer Gesellschaft, in der jeder Nobody über Nacht zum Star werden und ebenso schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken kann. Ich wünsche Paul Potts, dass er im Erfolg ebenso wie im Scheitern sich selbst und auch seiner Frau treu bleiben kann.


 

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