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Nachgedacht Sonntag als Tag der BesinnungEine Nachricht, die betroffen macht: Ausgerechnet ein Heiliger hat gegen das Ladenschlussgesetz verstoßen. Man mag ihm zugutehalten, dass er im heutigen Frankreich lebte und dass die Franzosen es mit den Öffnungszeiten ohnehin nicht so genau nehmen. Aber die Betroffenheit bleibt: Der Heilige Martin hat seinen Mantel geteilt - ein klarer Fall von Sonntagsarbeit - und die eine Hälfte einem Bettler überlassen. Sankt Martin hat damit, ohne es zu wissen, den Mantelsonntag eingeführt. Die Mantelheiligen unserer Tage heißen Sankt Severin, Knecht Ruppert und San Oliver. Ihre Zielgruppe sind allerdings nicht bedürftige Bettler, sondern zahlungskräftige Bürger. Die meisten dieser Heiligen verkaufen ihre Kleider nicht nur an Werktagen, sondern auch am sog. Mantelsonntag. Damit verbinden sie die Hoffnung, dass bald auch andere Sonntage für den Kleiderverkauf freigegeben werden könnten. Der Widerstand gegen die Aufhebung des Sonntags kommt nicht nur von Kirchen und Gewerkschaften. Er kommt auch von christlichen Geschäftsleuten, die den Sonntag nicht einfach dem Kommerz preisgeben wollen. Das Motto des Sonntags soll nicht "cash and carry" heißen, sondern "sing and pray". Aber auch die Städteplaner sind aufgerufen, die Mantelheiligen in ihre Schranken zu weisen. Der Mantel ist zu einem traurigen Symbol für die Würzburger Innenstadt geworden, in der es außer Kleidern bald gar nichts mehr zu kaufen gibt. Das Motto "Würzburg macht Spaß" gilt nicht für die Senioren, die im Bereich der Innenstadt wohnen. Was sie zum Leben brauchen, können sie oft nicht mehr in ihrer unmittelbaren Umgebung kaufen. Viele Artikel gibt es nur noch in den großen Supermärkten am Stadtrand, die nur mit dem Auto erreichbar sind. Die Aufhebung des Sonntags würde zudem den Druck auf die kleinen Geschäfte verstärken. Denn die Kaufhäuser könnten aufgrund ihres größeren Personalbestands flexiblere Öffnungszeiten anbieten und somit den Wettbewerb dominieren. Wer behauptet, dass eine solche Entwicklung im Interesse des Bürgers ist, ist für mich kein Heiliger, sondern bestenfalls ein Scheinheiliger. Ich wünsche mir eine Stadt, die auch künftig für ihre Bürger bewohnbar bleibt. Ich wünsche mir eine Stadt, in der es große und kleine Geschäfte gibt, in denen man Kleider, aber auch viele andere Dinge kaufen kann. Ich wünsche mir eine Stadt, deren Bürger den Sonntag achten - nicht nur als Tag des Gebets, sondern auch als Tag der Besinnung auf das, was im Leben wirklich zählt. Denn der Wohlstand allein ist keine Garantie für eine sichere Zukunft. Schon immer sagten die Gänse am Tag vor St. Martin: "Es ging uns noch nie so gut wie heute".
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