Theater ohne Bilder

80 Jahre Hörspiel

"Zauberei auf dem Sender". So hieß das erste deutsche Hörspiel, das am 24. Oktober 1924 vom Sender Frankfurt am Main ausgestrahlt wurde. Statt des angekündigten Konzertes präsentierte der Sender einen scheinbar hilflosen Moderator, der bei seiner Arbeit immer wieder gestört wird - von versagender Technik, von anrufenden Zuschauern und von einem "Fräulein", das plötzlich im Studio erscheint: "Was fällt Ihnen ein? Es ist doch eingeschaltet!" - "Nur zwei Minuten." - "Nein!" - "Bitte!" - "Ausschalten! Mikrofon ausschalten!".

"Was soll der Unsinn?", fragte ein Kritiker im Namen vieler Zuhörer kurz darauf in der Zeitschrift "Radioumschau". Der Kritiker ahnte noch nicht, dass der Frankfurter Sender soeben ein neues Genre geschaffen hatte: das Hörspiel. Denn zuvor diente der Rundfunk nur zur Übertragung von Sprache und Musik. Durch das Hörspiel entwickelte sich das Radio zu einem eigenständigen Medium, das - wie ein Theater ohne Bilder - die Fantasie des Publikums freisetzte.

Welche unglaubliche Wirkung ein Hörspiel haben kann, erlebte die amerikanische Öffentlichkeit am 30. Oktober 1938. In einer angeblichen Live-Reportage berichtete der erst 23-jährige Regisseur Orson Welles im Radiosender CBS von der Landung Außerirdischer im Bundesstaat New Jersey. Obwohl vor und während der Sendung immer wieder auf den fiktiven Charakter des Hörspiels hingewiesen wurde, verließen die Zuhörer in Panik ihre Häuser und lösten insbesondere in der Stadt New York ein Verkehrschaos aus.

Dieses Beispiel zeigt, welche Kraft das Wort im Zeitalter des Bildes haben kann. Was der Mensch sieht, geht nur in seinen Kopf. Was er dagegen hört, dringt in sein Herz. Vielleicht spricht die Bibel deshalb nicht das Auge, sondern das Ohr des Menschen an: "Höre, Israel, der Herr ist Gott, der Herr allein".


 

 

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