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Das Wunder von WeihnachtenEin Besuch im Torturmtheater "Josef und Maria". Dieses Stück des österreichischen Dramatikers Peter Turrini ist noch bis zum 15. Dezember unter der Regie von Veit Relin im Torturmtheater Sommerhausen zu sehen. Karten gibt es wie immer bei der Dame, die schon fast zum Inventar des Theaters gehört, dem "Lörchen". "Josef und Maria" ist nicht, wie man zunächst vermuten könnte, eine Neuinszenierung der biblischen Weihnachtsgeschichte, sondern eine poetische Begegnung zweier alter Menschen am 24. Dezember 1991. Der 71-jährige Josef Pribil, Aushilfskraft bei einer Wach- und Schließgesellschaft trifft in einem Kaufhaus nach Geschäftsschluss auf die 69-jährige Gelegenheitsputzfrau Maria Patzak. Beide blicken zurück auf ein Leben voller enttäuschter Hoffnungen und haben Angst davor, den Heiligen Abend allein zu verbringen. Josef erzählt von seinen sozialistischen Idealen, die nach der Eroberung der DDR durch westliche Bananen zerbrochen sind. Maria berichtet von ihrem geliebten Sohn, den sie an die vermeintlich böse Schwiegertochter verloren hat. Im Laufe des Gesprächs überwinden Josef und Maria ihre Scheu voreinander und beschließen, den Heiligen Abend gemeinsam zu verbringen. Sie entdecken in dem Kaufhaus alles, was sie für eine stimmungsvolle Feier brauchen: Sekt, Lippenstift und sogar ein gemeinsames Bett. Das Stück von Peter Turrini lässt daran denken, dass die Geburt des Christkindes nicht das einzige Weihnachtswunder war. Ein anderes Wunder besteht darin, dass Josef und Maria beieinander geblieben sind, obwohl Josef wusste, dass er nicht der Vater von Marias Kind war. Die biblische Weihnachtsgeschichte ist ein Beleg dafür, dass die Liebe zweier Menschen gelingen kann, wenn sie ihre Enttäuschungen konstruktiv verarbeiten. Veit Relin schließt sein Programmheft mit den Worten: "Auf Wunsch singt Ihnen das Lörchen noch ein Weihnachtslied". "Ich kann doch gar nicht singen", reklamiert das Lörchen. "Das hat der Veit doch nur geschrieben, um mich zu ärgern". Aber das Publikum lässt nicht locker. Schließlich singt das Lörchen unglaublich schön, herrlich schräg und zugleich unendlich traurig: "O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit".
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