Vom Glück, leben zu dürfen

Die Ziehung der Lottozahlen

Am 4. September 1965 wurde zum ersten Mal im deutschen Fernsehen die Ziehung der Lottozahlen übertragen. Seitdem hieß es in schöner Regelmäßigkeit an jedem Samstagabend: "Der Aufsichtsbeamte hat sich vor unserer Sendung vom ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgerätes und der neunundvierzig Kugeln überzeugt". Auch ich hing als Kind wie gebannt an den Lippen der Glücksfee Karin Tietze-Ludwig, die - im Gegensatz zu den Sprechern der anschließenden Tagesschau - nie älter zu werden schien.

Mein Vater beteiligte sich von Anfang an an dem wöchentlichen Vergnügen und kreuzte auf dem Lottoschein grundsätzlich die Geburtsdaten seiner drei Kinder an, die ihm - wie er sagte - schon einmal Glück gebracht hatten. Auch wenn mein Vater hin und wieder drei oder gar vier Richtige erzielte, blieben die Gewinnquoten gering, da auch andere Lottospieler Daten einsetzten und somit die Zahlen 1 bis 31 öfter angekreuzt wurden als die Zahlen 32 bis 49.

Solche Rechenexempel erklären freilich nicht die Faszination des Lottospiels, die durch die Einführung des Jackpots im Jahr 1985 noch gesteigert worden ist. Auch ich träume manchmal, wenn ich in der Annahmestelle stehe und einen Tippschein ausfülle, von einer Kreuzfahrt durch die Karibik, einem Bungalow am Neuberg und einem Jaguar in der Garage.

Aber dann denke ich mir: Vielleicht habe ich schon längst das große Los gezogen. Denn ich habe mein Leben der Tatsache zu verdanken, dass sich aus Millionen von Samenzellen eine einzige, nämlich die meine, durchgesetzt und mit einer Eizelle vereinigt hat. Das ist - statistisch gesehen - nicht wahrscheinlicher als ein Hauptgewinn im Lotto. Mein Glück ist, dass ich leben darf.


 

 

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