Das kalte Herz

Ein Märchen von Wilhelm Hauff

„Das kalte Herz“, so heißt ein Märchen des schwäbischen Romantikers Wilhelm Hauff. Es war einmal ein junger Mann, der hieß Peter Munk. Er wohnte mit seiner Mutter in einer kleinen Hütte mitten im Schwarzwald. Von seinem verstorbenen Vater hatte Peter das Köhlerhandwerk erlernt. Es war ein schmutziges Geschäft, das nicht viel Geld einbrachte. Darum war Peter mit seinem Leben unzufrieden. Wie gerne hätte er sich einmal mit Freunden in einem Wirtshaus getroffen, um mit ihnen zu essen, zu trinken und zu feiern! Aber er konnte es sich nicht leisten. Doch seine Mutter sagte immer wieder zu ihm: „Peter, du bist an einem Sonntag geboren. Und einem Sonntagskind ist besonderes Glück beschieden!“.

Dieses Glück begegnete ihm in Gestalt von Lisbeth, die er zur Frau nahm. Lisbeth war nicht nur das schönste Mädchen des ganzen Schwarzwaldes, sondern sie hatte auch ein gutes Herz. Und sie liebte Peter, so wie er war. Nur er war mit seinem Leben nicht zufrieden. Er wollte reich und berühmt werden. Darum ging er zu einem Riesen, der mitten im Wald lebte. Der versprach ihm Reichtum und Ansehen im Tausch gegen sein Herz. Peter willigte ein. Der Riese nahm ihm sein lebendiges Herz und ersetzte es durch ein steinernes Herz.

Von diesem Moment war Peter unempfindlich gegen jegliches Gefühl. Er spürte keinen Schmerz mehr, keine Angst, keine Liebe. Nach kurzer Zeit hatte er nur noch Geld und Geschäft im Kopf und verjagte die Armen, die im Wald nach Nahrung suchten. Als er sah, wie seine Frau einen frierenden Bettler ins Haus holte, wurde er zornig und erschlug sie mit einem Stock. In diesem Moment erschrak Peter über sich selbst. Er erkannte, dass er sein Liebstes preisgegeben hatte für ein wenig Geld und Ruhm.

„Das war das Herz aus Stein!“, schrie er entsetzt und lief zu dem Riesen. Mit einer List holte er sich sein echtes Herz zurück. Und weil er als Sonntagskind noch einen Wunsch frei hatte, machte er seine geliebte Frau wieder lebendig. Wilhelm Hauff schließt mit den Worten: Und so lebten die beiden still und bescheiden fort, und noch oft nachher, als Peter Munk schon graue Haare hatte, sagte er sich: „Es ist doch besser, mit wenig zufrieden zu sein, als Gold und Güter zu haben - und dazu ein kaltes Herz“.

Niko Natzschka



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