Der Spiegel von Viganella

Licht für die dunkle Jahreszeit

Viganella ist ein kleines Dorf mit etwa 170 Einwohnern in der italienischen Region Piemont. Dieses Dorf liegt in einem tief eingeschnittenen Alpental, 700 Meter über dem Meeresspiegel, eingekeilt zwischen zwei Bergrücken und galt bis vor zehn Jahren als der dunkelste Ort Italiens. Denn vom 12. November bis zum 1. Februar – also 82 Tage lang – gab es in Viganella keine direkte Sonneneinstrahlung. Jeweils am 2. Februar, genau an Maria Lichtmess, feierten die Bewohner seit Jahrhunderten mit einer Prozession und dem Fest „La Candelora“ die Rückkehr der Sonne.

Doch der Lichtmangel im Winter führte einerseits zu einer Zunahme der depressiven Erkrankungen und andererseits zu einer Landflucht der jungen Dorfbewohner. Darum beschloss der Gemeinderat im Jahr 2006 auf Vorschlag des Bürgermeisters die Anschaffung eines Spiegels, der auf einem Berg in 1.100 Metern Höhe installiert wurde. Dieser Spiegel hat eine Fläche von 5 mal 8 Metern und wendet sich – aufgrund seiner elektronischen Steuerung – immer automatisch der Sonne zu. 40 Quadratmeter groß ist der Lichtfleck, den der Spiegel seit 10 Jahren auf dem Marktplatz von Viganella wirft. Er schafft damit ein helles und zugleich warmes Kommunikationszentrum in der Mitte des Dorfes, das inzwischen auch zu einem Anziehungspunkt für zahlreiche Touristen geworden ist. Und das Fest „La Candelora“ wird weiterhin – auch in diesem Jahr - am 2. Februar gefeiert.

Der Spiegel von Viganella lässt mich erahnen, was es heißen könnte, ein Christ zu sein: Ein Christ ist nicht die Sonne - aber ein Reflektor. Er soll das Licht, das er von Gott empfangen hat, an andere Menschen weitergeben. Er soll menschliche Wärme ausstrahlen und seinen Nächsten - und zwar Freund und Feind - lieben wie sich selbst. Genau das meint Paulus, als er an die Gemeinde von Korinth schreibt: „Gott, der das hieß das Licht aus der Finsternis hervorleuchten, hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, damit die Menschen durch uns die Herrlichkeit erkennen, die Christus ausstrahlt“ (2. Korinther 4,6).


Niko Natzschka

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