Alle Rüben sind gleich

Zum Stand der Ökumene

Kaum ein Ereignis ist im ökumenischen Bewusstsein von Mainfranken so fest verwurzelt wie der Zwischenfall von Ochsenfurt am 20. Juni 1953. An diesem Tag sollten der katholische Bischof Döpfner und der evangelische Dekan Schwinn der neugebauten Zuckerfabrik den kirchlichen Segen erteilen.

Dieses Vorhaben scheiterte, weil sich die beiden Geistlichen nicht auf ein gemeinsames Protokoll einigen konnten. Zur gleichen Zeit fand in der Räumen der Zuckerfabrik eine Bauernkundgebung mit mehreren tausend Teilnehmern statt. Als die Bauern hörten, dass es keine gemeinsame Einweihung geben würde, kam es zu stürmischen Protesten. Katholische und evangelische Bauern gaben ein ökumenisches Pfeifkonzert. Die anwesenden Schützen feuerten in die Luft und brachten die Pferde und somit die Kutsche des Bischofs in Fahrt. Erst der Bundestagsabgeordnete Bauereisen konnte die aufgebrachte Menge beruhigen.

Der Zwischenfall von Ochsenfurt war kein Konflikt zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche, sondern ein Konflikt zwischen Kirchenleitung und Kirchenvolk. Das Volk konnte nicht verstehen, warum konfessionelle Gegensätze bei der Einweihung einer Zuckerfabrik eine Rolle spielen sollen. Es gibt keine katholischen und keine evangelischen Rüben. Vor Gott sind alle Rüben gleich.

Das ökumenische Klima in Mainfranken hat sich inzwischen völlig entspannt. Kirchenvolk und Kirchenleitung bemühen sich gleichermaßen um ein Leben in versöhnter Verschiedenheit. Während der katholische Bischof Scheele in der Würzburger Dekanatskirche St. Stephan predigt, gestalten evangelische Prediger die Andacht "Fünf nach zwölf" im Dom. Gemischtkonfessionelle Ehepaare besuchen gleich gern die Messen von Pater Manuel im Käppele und die Gottesdienste von Pfarrer Schindelin im Steinbachtal.

Ein besonderes Zeichen der Ökumene hat neulich mein katholischer Amtsbruder von der Pfarrei Unsere Liebe Frau gesetzt, der einem sterbenden Protestanten seelsorgerlichen Beistand leistete, weil ich gerade nicht erreichbar war. Angesichts dieser Praxis ist mir um die Zukunft der Ökumene nicht bange.


 

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